Das gute Alter

Ach was sind spontane "gemütliche Runden" doch schön. Wir wollten singen und raten.  Frau Bruck (Frau Bruck ist 99 Jahre jung. Sie liest ohne Brille und ist sehr textsicher) meinte: "Ich hole mein Gesangbuch und dann singen wir los." Sie brachte aber auch per Hand geschriebene Gedichte mit, die wir vorgelesen haben. Eins davon hat die Bewohnerinnen und Bewohner zum lachen und nachdenken gebracht: 

Das gute Alter

Wenn man so zusammen sitzt, dann wird sich doch meistens ausgetauscht. Ich will es heute einmal wagen, etwas Gutes über das Alter zu sagen.

Denn mir brachte das Alter auch Gewinn, ich freu mich, dass ich jetzt ne Alte bin.

Denn als ich noch jung war, oh Mann oh Mann, da zog ich ganz schicke Schuhe an, vorne sehr spitz und mit hohen Hacken. Ich hatte Blasen an den Füßen und Hühneraugen an den Zehn, ich konnte oft kaum noch gerade gehen.  

Aber in meinem Alter kann ich es wagen, nur bequeme Schuhe zu tragen. So brachte das Alter mir Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Alte bin.

Wenn ich früher ging zum Friseur, da war es doch wirklich ein Malheur. Wenn eine Farbe nur auf dem Kopf, herhalten musste der Farbentopf, denn viele Strähnchen gehörten ins Haar, wie das ja damals Mode war.   

Heute habe ich in meiner Mähne, manch eigene graue Strähne. Den Vorteil brachte mir das Alter als Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Alte bin.

Wenn ich früher vor dem Spiegel stand und meine ersten Falten fand, ihr glaubt nicht, wie mich das bedrückte, weil doch das Alter immer näher rückte. Heute sehe ich mit Schmunzeln, jeden Tag ein paar neue Runzeln.

Aber in meinem Alter kann ich Falten tragen - im Rock, im Gesicht und überm Kragen.

So bringt das Alter auch Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Alte bin.

Zähneputzen nicht vergessen und danach nichts mehr Süßes essen! So hieß es immer. Dabei hatte ich gerade abends immer Hunger auf Schokolade. Doch heute bin ich so gut dran, dass ich des Nachts ruhig schleckern kann. Die Zähne derweil im Glase liegen, die können keine Karies mehr kriegen.

Auch das ist im Alter ein Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Alte bin.

Die Zeiten sind noch nicht sehr fern, da waren die Miniröcke sehr modern. Beim sitzen musste man immer ziehen, damit sie einem nicht entfliehen. Beim stehen durfte man sich nicht recken, weil sie dann garnichts mehr verstecken. Egal, wie die Knie waren beschaffen, jeder konnte sie begaffen. Und im Winter fror man bis hierhin. Jetzt sind die Minis wieder in.

Aber in meinem Alter kann ich es wagen, die Röcke ,so lang wie ich will, zu tragen.

So brachte das Alter auch Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Alte bin.

Als junge Frau wird man belehrt, die Sauberkeit hat ihren Wert. Doch im Lauf von vielen Jahren, habe ich es dann erfahren, dass man auch dann seinen Wert besitzt, wenn in der Wohnung nicht alles blitzt. Und scheinen die Fenster und die Gardinen grau, dann nehme ich die Brille ab und sehe es nicht mehr so genau.  Als junge Frau muss man sich mühen, seine Kinder zu erziehen.

Die Enkel kann man dafür doppelt genießen. Einmal, wenn sie kommen und einmal wenn sie die Tür wieder hinter sich schließen.

So bringt das Alter auch Gewinn, ich freue mich, dass ich ne Oma bin.

(Verfasser ? – Vorgelesen von Frau Bruck)